In einer Ihrer letzten Ausgaben berichtete das Magazin „Schweizer Familie“ über das Thema Gewaltspiele. Was wie ein harmloser Artikel aussieht, ist aber in Wahrheit der Text eines Autors, der hinlänglich als Spielegegner bekannt ist: Manfred Spitzer. Leider gibt die Schweizer Familie seine Meinung unreflektiert weiter, was das Bild der gewalthaltigen Videospiele in den Augen vieler noch verschlechtern dürfte.
Es liegt auf der Hand, dass eine Schweizer Publikation, bei welcher die Familie Programm ist, sich kritisch mit dem Thema Gewalt in Videospielen auseinandersetzen wird. Was zunächst als alter Zopf erscheint - das wissen wir doch alles schon - muss vor dem Hintergrund verstanden werden, dass das Zielpublikum dieser Publikation nicht der mediengewandte junge Erwachsene ist, sondern Eltern, deren höchstes Gut ein intaktes harmonisches Familienleben darstellt. Somit erstaunt es auch wenig, dass der betreffende Artikel sich gar nicht erst die Mühe nimmt, die Thematik von Gewalt in Videospielen differenziert zu betrachten.
"Es wird zwar im Hinblick auf Computerspiele noch immer behauptet (...), dass <> sein könnte, um es jedoch klar und deutlich zu sagen: Es gibt keine Beobachtung, keine Studie und kein Experiment, das diese Behauptung stützt."
Manfred Spitzer, "Die Gewalt beginnt vor dem Bildschirm" . Schweizer Familie 09/16
Jeder, der sich heute eingehender mit dem Thema befasst weiss, dass die Antwort nicht so einfach ist und etliche Studien existieren, welche dem regelmässigen aber nicht übermässigen Spielen am Computer sehr wohl positive Nebeneffekte attestieren. Auf der anderen Seite zweifelt kaum jemand mehr an der Tatsache, dass gewalthaltige Computerspiele nicht in Kinderhände gehören.
Mehr als bereits gemachte Meinungen zu betonieren, wird dieser Artikel kaum bewirken. Lösungsansätze werden, abgesehen von Steuern auf der Produktion von gewalthaltigen Videospielen, keine genannt. Der Autor, Manfred Spitzer, beschränkt sich mit teils zweifelhaften Argumenten auf die Kernaussage: "Videospiele sind schlecht." Somit wird es auch kaum überraschen, wenn die Leserschaft der "Schweizer Familie" letztendlich in einer überwältigenden Mehrheit ein Verbot der besagten Spiele fordern wird. Aber ist es legitim, eine relativ veraltete Studie (1993) aus den USA auf die Befindlichkeit der Schweizer Jugend im Jahr 2009 zu reflektieren? Es ist zu bezweifeln, dass eine identische Studie im Jahr 2009 bei der gleichen Zielgruppe, jedoch in der Schweiz durchgeführt, zur selben Antwort käme. Wer im Übrigen bis ca. zum 18. Lebensjahr 272'000 Gewalttaten inklusive Mord und versuchten Mord gesehen haben will, muss bereits an seinem ersten Tag im Leben - wahrscheinlich in den Armen der Mutter - 41 Gewalttaten, darunter knapp 5 Morde, erlebt haben!
Die Erkenntnis, dass Medien mit Gewaltdarstellungen nicht in Kinderhände gehören, ist nicht neu. Altersbegrenzungen anerkennt unsere Gesellschaft aus guten Gründen beispielsweise bei Filmen bereits seit Jahrzehnten. Und genau hier "schwächelt" der Artikel von Manfred Spitzer massiv. Er beschränkt sich darauf, Videospiele per se - interessanterweise beschränkt er sich erst am Schluss auf Gewaltspiele - und für alle als etwas gefährlich brachiales, aber auch komplett zeitverschwenderisches darzustellen:
"Sie verschwenden ihre Zeit, in der sie etwas anderes lernen könnten. (...) Sie aktualisieren und verfeinern vielmehr uralte Verhaltensprogramme, die vielleicht vor zweihunderttausend Jahren wichtig waren, heute jedoch einem geordneten Zusammenleben im Wege stehen."
Manfred Spitzer, "Die Gewalt beginnt vor dem Bildschirm" . Schweizer Familie 09/16
Statt dass Spitzer Altersbeschränkungen in die Diskussion einbringt und den Eltern begriffe wie "PEGI" oder "USK" näher bringt, argumentiert er viel lieber dahingehend, dass Videogames vielleicht noch die Neandertaler hätte ansprechen können, aber kaum unsere heutige "zivilisierte" Gesellschaft. Der Autor vergisst dabei leider, dass die Gewalt weiterhin nur am Bildschirm stattfindet, also keinerlei reale Gewalt ausgeübt wird, sondern lediglich Darstellungen davon simuliert werden. Ein geistig gesunder erwachsener Spieler kann diese beiden Sachverhalte problemlos unterscheiden.
Vielleicht ist es sogar besser, diese uralten menschliche Verhaltensprogramme im Spiel auszuleben, anstatt sich real die Köpfe einzuschlagen, wie es viele Menschen gestern wie heute noch tun und auch in einer Welt ohne Gewalt darstellenden Spielen tun würden.