VGMG: "Anhänger von grausamer Gewalt verteidigen ihr Hobby"

  • Melody
  • 18. Juni 2011
  • Essays
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Vereinigung gegen mediale GewaltUnd einmal mehr werden Gamer und Gamerinnen als Anhänger von grausamer Gewalt bezeichnet. Im vergangenen Jahr hat Roland Näf, der Gründer der Vereinigung gegen mediale Gewalt und Präsident der SP des Kantons Bern, Gamer in der ganzen Schweiz erzürnt. Er sieht den Konsum von Videospielen mit gewalttätigen Inhalten als Auslöser für einen Wertezerfall, sowie als Ursache von Amokläufen und Suiziden. Siehe dazu auch diesen Artikel von GameRights.

Die Vereinigung gegen mediale Gewalt, kurz VGMG, hat ihren Jahresbericht 2010/11 veröffentlicht. Werfen wir gemeinsam einen Blick darauf.

Bereits der Name der Vereinigung ist irreführend. Mediale Gewalt gibt es in allen Medien, von Büchern über den Rundfunk sowie in Zeitungen. Aber die VGMG beschäftigt sich fast ausschliesslich mit der kritischen Auseinandersetzung von Gewaltdarstellungen in Videospielen.

Im Jahresbericht werden noch einmal die Ziele der Vereinigung zusammengefasst. Sie schlägt für den Umgang mit Killerspielen vor, dass mehr Aufklärung nötig sei und dass die Medienkompetenz bei Jugendlichen und bei Eltern gefördert werden soll. Ausserdem will man einen rechtlich verbindlichen Jugendschutz einführen und den Handel mit besonders grausamen Gewaltdarstellungen verbieten.

Dass der leidige Begriff „Killerspiel“ immer noch so unreflektiert im Jahresbericht der VGMG verwendet wird, macht uns stutzig. Der Begriff ist nicht genau definiert und könnte auf jedes Videospiel zutreffen, in dem ein Gegner eliminiert werden muss. Aus diesem Grund ratet GameRights dringend vom Gebrauch eines solch schwammigen Begriffs ab. Nach zahlreichen Debatten ist der Begriff überholt und wirkt unprofessionell.

In der Förderung der Medienkompetenz von Erziehungsberechtigten sieht auch GameRights eines der wirksamsten Mittel, damit Jugendliche nicht an Videospiele gelangen, die nicht für sie gedacht sind. Ein rechtlich verbindlicher Jugendschutz kann ebenfalls dazu beitragen. Der Handel mit Medien mit besonders grausamen Gewaltdarstellungen ist durch den Artikel 135 im schweizerischen Strafgesetzbuch bereits verboten.

Ein Problem besteht darin, wie die Vereinigung von einigen wenigen negativen Beispielen von Videospielen Rückschlüsse zieht auf deren Gesamtheit und deren Nutzer. Das ganze letzte Jahr hindurch hat sich die VGMG immer wieder an die Öffentlichkeit gewandt, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Angeprangert wird, dass Videospiele immer realitätsnaher und gewalthaltiger werden. Als Konkrete Beispiele werden das auf dem gleichnamigen Comic basierende The Darkness sowie Saints Row 2 genannt. Beide Spiele sind jedoch auch laut PEGI nur für Erwachsene freigegeben und haben absolut nichts in einem Kinderzimmer verloren.

Des weiteren prangert die Vereinigung den Sexismus in Videospielen an und nennt als Beispiel Duke Nukem Forever. Das in diesen Games vermittelte Bild der idealen Frauen und Männer sei nicht akzeptabel. Sexismus ist jedoch kein spezifisches Problem in Videospielen, sondern kommt jeden Tag aufs Neue in allen Medien vor. Die neue Werbung für das Duschgel Axe, diverse Fernsehprogramme, die Seite 1 der Blick-Zeitung und der freie Zugang zu Pornoheften am Kiosk fällt ebenso in die Kategorie „Medial vermitteltes Idealbild von Mann und Frau“. Da ist es keine Überraschung, dass es Videospiele gibt, die den Stereotyp auf die Spitze treiben. Duke Nukem Forever ist eine Übertreibung des männlichen Macho, genauso wie Rambo oder der Terminator. Man muss festhalten, dass es viele Spiele gibt, in denen tiefgründige Charaktere vorkommen, die nicht auf ihr Geschlecht reduziert werden. Ein Beispiel wäre Kommandant/Kommandantin Shepard aus der Mass Effects-Reihe oder Alistair und Leliana aus Dragon Age: Origins. Beides Videospiele, die Gewaltdarstellungen beinhalten und sich an ältere Spieler und Spielerinnen richten.

Laut Jahresbericht wird der Arbeit der Vereinigung sehr viel Widerstand entgegengesetzt. "Anhänger von grausamer Gewalt" würden ihr Hobby mit viel Aufwand rechtfertigen. Vermutlich ist damit gemeint, dass wir Gamer und Gamerinnen uns gewehrt haben von Personen der VGMG wiederholt als krankhafte Psychopathen hingestellt zu werden. Zwar will die Vereinigung gegen mediale Gewalt sicher viel Gutes und spricht eine wichtige Problematik an. Jedoch wehren wir uns gegen eine unreflektierte Verallgemeinerung des Mediums „Videospiel“ und einer Stigmatisierung von erwachsenen Gamer und Gamerinnen. Der Jahresbericht der VGMG hat wieder einmal gezeigt, dass unser Kampf noch lange nicht vorbei ist.

Der Jahresbericht 2010/11 des VGMG kann hier in voller Länge gelesen werden.

 

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