Lootboxen und Glücksspielelemente in Games – höchste Zeit für den gesetzlichen Eingriff

  • Peter
  • 14. Juni 2022
  • Essays
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Kolumne unseres Gastautors Henning Beywl, Bern

Hast du schon einmal im App Store deines Smartphones nach einem neuen Game geschaut, um die Langeweile für ein paar Stunden zu vertreiben? Dort bekommst du zwei Arten von Games vorgeschlagen: Traditionelle «Pay to Play»(P2P), also Spiele die schon zum Installieren Geld kosten, und «Free to Play»(F2P), welche anders finanziert werden. Letztere generieren Umsatz durch eine Kombination z. B. von Werbeeinblendungen, Abonnementen oder «Mikrotransaktionen».

Diese Mikrotransaktionen wiederum gibt es in zwei Variationen: Solche, die deinen Charakter oder deine Stadt etc. anders aussehen lassen, um dich von anderen Spielern abzuheben. Und solche, die das Spielgeschehen aktiv verändern durch stärkere Gegenstände, mehr Erfahrung, schnellere Bewegung, die Entfernung von Timern… Du kannst also jedes Mal, wenn du im Spiel etwas schneller vorankommen möchtest, einen kleinen Betrag zahlen, um sofort ein Stück weiterzukommen. Oft kommt dazu noch ein Zufallselement. Du kaufst eine sogenannte «Lootbox», und darin ist ein zufälliger Gegenstand, der dich stärker macht – wie viel stärker ist ebenfalls zufällig.

Wenn man mit Mikrotransaktionen schneller im Spiel vorankommt, spricht man von «Pay to Progress» spielen[1]. Und wenn man mit Geld so viel Stärke gewinnen kann, dass nicht zahlende Spieler nicht mehr mithalten können, nennt man es «Pay to Win».

Die Anreizsysteme können ins Geld gehen

Durch die Kombination von Pay to Progress/Win, Lootboxen und anderen Zufallselementen entsteht bei Gamern ein Anreiz, mit Geldeinsätzen schneller oder leichter voranzukommen. Dabei wissen Sie nie genau, wieviel sie dadurch tatsächlich im Spiel weiterkommen. Es ist also ein Glücksspiel-Element enthalten. Dieses kann bei manchen Personen zu Suchtverhalten führen[2]. In diesem Zusammenhang redet man auch oft von Gacha-Spielen[3]. Diese Spiele nutzen eine Reihe von psychologischen Tricks, um die Nutzenden zu mehr Mikrotransaktionen zu bewegen[4]. Ein eindrückliches Beispiel dafür, zu was dies führen kann, ist das F2P PC-Game Lost Ark, welches Anfang 2022 erschien. Ein neues vollwertiges P2P PC-Game kostet nicht mehr als 80.- CHF. Hingegen ist Lost Ark kostenlos. Es finanziert sich durch Mikrotransaktionen. Es wird im Hintergrund ein individuelles tägliches Limit eingestellt, zwischen 100 und 1000 USD[5] Das Limit wird regelmässig durch Zahlende erreicht, worüber diese sich in Foren beschweren.

Pay to Progress und Lootboxen kennt man hauptsächlich aus Smartphone-Games wie Clash of Clans, Farmville oder Candy Crush. Es gab sie aber auch immer schon auf anderen Plattformen, und Vermarkter von PC- und Konsolen-Spielen haben den Erfolg des Geschäftsmodells inzwischen auch wiederholt.

Das bereits erwähnte Lost Ark war in Südkorea sehr erfolgreich, bevor es Anfang 2022 von Amazon für den Westen veröffentlicht wurde. Die mediale Rezeption war eher positiv[6], während die Nutzenden eher mittelmässige Bewertungen abgeben.

Diablo Immortal ist der erste Teil der erfolgreichen Diablo-Serie von Blizzard Entertainment, welcher primär für mobile Geräte entwickelt wurde, aber auch auf dem PC spielbar ist. Erneut ist die mediale Rezeption eher positiv[7], aber die Nutzerbewertungen fallen deutlich schlechter aus; laut ihnen hat es Blizzard diesmal grob übertrieben mit Pay to Win.

Auf anderen Kontinenten dominieren andere Spiele, welche in Europa teilweise gänzlich unbekannt sind, aber astronomische Umsätze generieren. Wusstest du, dass CrossFire[8] u.a. mit Mikrotransaktionen jahrelang mehr Umsatz generierte als Kassenschlager wie Fortnite oder League of Legends?

Warum ist F2P bei den Entwicklern so populär?

Und damit sind wir auch schon bei der Ursache des F2P-Erfolgs angekommen, und dem Grund, warum es in Zukunft vielleicht noch dominanter wird: Der Umsatz von puren P2P-Spielen reicht nicht annähernd an den von gut monetarisierten F2P-Spielen heran. Es macht finanziell mehr Sinn, ein mittelmässiges F2P-Spiel zu entwickeln, als ein herausragendes P2P-Spiel. Ohne Regulierung wird sich der Spiele-Markt weiter in diese Richtung entwickeln, und die Versuchung für Suchtgefährdete und Kinder und Jugendliche wird zunehmen.
Schon meine Eltern warnten mich vor der Gaming-Sucht. Aber es ging ihnen nur um Zeit, nicht auch noch um viel Geld.

In der Schweiz hinkt die Gesetzgebung der Entwicklung weit hinterher[9]. Lootboxen und andere Mikrotransaktions-Zufallsmechanismen fallen meistens nicht unter das Schweizer Geldspielgesetz von 2019, da sie kein Geld oder geldwerten Vorteil versprechen. Sie funktionieren aber ähnlich und verwenden ähnliche Mechanismen wie traditionelle Geldspiele: Intransparenz der Erfolgswahrscheinlichkeit; Verschleierung der Kosten durch Umtausch von Geld in verschiedene virtuelle Währungen… In Belgien und den Niederlanden wurde die Gesetzgebung bereits deutlich verschärft, um Lootboxen etc. einzuschränken oder gänzlich zu verbieten[10].

Es braucht den Gesetzgeber

Letztendlich ist die Entwicklung der Spielebranche hin zu mehr Pay-To-Win und Glücksspielelementen nur durch gesetzliche Einschränkungen aufzuhalten. Und für Gamer hätte das ausschliesslich Vorteile: weniger Suchtgefahr, tiefere Gesamtkosten für das Spielerlebnis, und sogar bessere Spiele (da mittelmässige F2P-Spiele nicht mehr so einfach zu monetarisieren wären). Da die Schweiz kein grosses Spieleentwickler-Land ist, würde auch der Wirtschaftsstandort nicht beeinträchtigt. Eine Win-win-Situation für alle?! Die Schweiz sollte sich schnellstmöglich dem guten Beispiel von Belgien und den Niederlanden anschliessen.



[1] Diese Vorstufe von Pay to Win wird eher selten zur Abgenzung genutzt.

[5] https://forums.playlostark.com/t/in-game-purchase-limit-is-not-a-good-policy/303652 , es gibt keine öffentliche Kommunikation der Entwickler zu Details der Obergrenze

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