Altägyptische "Killerspieler" - Die Scheinargumente des VGMG

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  • 19. September 2009
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Mordinstrumente?Der Verein Gegen Mediale Gewalt (VGMG) lässt keine Gelegenheit aus, einen vermeintlichen Zusammenhang zwischen einem Gewaltverbrechen, in welchem Jugendliche involviert waren und dem Konsum von Actiongames herzustellen. Stützte sich VGMG-Chefdenker Roland Näf ursprünglich noch einseitig auf den seiner Sache dienlichen Studien, nehmen die Argumente in jüngerer Zeit jedoch immer groteskere Züge an. Jüngstes Beispiel ist die Stellungnahme des VGMG zum Tötungsdelikt Ried-Muotathal vom August 2009, welche im GameRights-Forum bereits eingehend diskutiert worden ist.

Hinter der Tatsache, dass Roland Näfs Analysen in der Einleitung jeweils Objektivität suggerieren, steckt reines Kalkül.

 

Wie immer bei Gewalttaten lässt sich das Verhalten der Angeklagten nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. Die grausame Gewalt im Handeln des 15-Jährigen lässt sich nicht umfassend begreifen und es gibt keine einfachen Erklärungen. So lässt sich bei einem Menschen nie nachweisen, welchen Anteil die einzelnen Faktoren haben. (...)

VGMG: Das Tötungsdelikt von Ried-Muotathal

Diese Feststellung wird wohl von jedem geteilt. Leider lässt sich aber der Autor kurz darauf gleich selbst zu einfachen Erklärungen hinreissen. Statt dass nun eine objektive Analyse der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Schwyz erfolgt, welche vor allem Hinweise auf die zerrütteten Familienverhältnisse des Haupttäters und dessen labilen Geisteszustand liefert, stürzt sich der Autor direkt auf die Thematik "Medienkonsum" mit teils haarsträubenden Feststellungen:

Der Tatplan, auf den sich die Jugendlichen stützten, entspricht nicht persönlichen Alltagserfahrungen, sondern ist vielmehr die Übernahme von Klischees und Strategien, wie sie in Filmen und Computergames zur Selbstverständlichkeit geworden sind.

VGMG - www.medialegewalt.ch

Diese These stützt Roland Näf mit der Aussage in der Anklageschrift, dass die Tat plangemäss wie ein Raubmord hätte aussehen sollen. Nun ist das Wissen, dass Fingerabdrücke mit Handschuhen vermieden werden können oder dass nach einem Raubüberfall eine Wohnung in aller Regel ziemlich verwüstet aussieht, kaum ein Privileg der Gamer-Generation. Diese Vorgehensweise war bereits vor zwanzig Jahren im Dienstagabendkrimi zu erlernen, wurde auf "Aktenzeichen XY" hundertfach nachgestellt und konnte schon im vorangehenden Jahrhundert in den Kriminal- und Horrorromanen Edgar Allan Poes nachgelesen werden.

Die Feststellung, dass der Konsum Gewalt verherrlichender Medien eine effiziente Schulung für die Durchführung von Gewalthandlungen verkörpert, gehört zum populistischen Standardrepertoire des SP-Politikers Näf und wird einmal mehr weder differenziert noch glaubwürdig untermauert. Studien, an welchen sich diese Behauptung orientiert und die vom VGMG gerne zitiert werden, zeigen bestenfalls eine gewisse Gefährdung einer definierten Risikogruppe in einem Gesamtkontext auf.

Gegenteilige Studie

Dass vorangehende Behauptung mit grösster Vorsicht zu geniessen ist, belegt auch eine aktuelle Studie des Verhaltenspsychologen und Kriminologen Christopher Ferguson von der Texas A&M International University, publiziert am 17. August 2009 im Fachmagazin "The Journal of Pedriatrics" (http://www.jpeds.com). In dieser Studie wurde das Aggressionsverhalten von 603 Kinder im Alter von zehn bis vierzehn Jahren auf verschiedene Umwelteinflüsse wie psychologische Gewalt der Eltern, antisoziale Persönlichkeitsmerkmale der Probanden, aber auch der Einfluss von gewalthaltigen Computerspielen und Fernsehsendungen analysiert. Die Studie kommt zum Ergebnis, dass letztgenannte Faktoren faktisch vernachlässigbar sind, während die Persönlichkeitsmerkmale der Kinder sowie der elterliche Einfluss bzw. deren Verhalten die wesentlichen Risikofaktoren darstellen:

Delinquent peer influences, antisocial personality traits, depression, and parents/guardians who use psychological abuse in intimate relationships were consistent risk factors for youth violence and aggression. Neighborhood quality, parental use of domestic violence in intimate relationships, and exposure to violent television or video games were not predictive of youth violence and aggression.

Christopher J. Ferguson, PhD: A Multivariate Analysis of Youth Violence and Aggression: The Influence of Family, Peers, Depresion, and Media Violence

Natürlich darf eine solche Studie nun auch nicht dahingehend interpretiert werden, dass der Konsum von Gewalt darstellenden Medien für Kinder per se harmlos ist. Vielmehr untermauert sie die Tatsache, dass der grösste Einfluss auf die Entwicklung eines Kindes nebst dessen gegebenen Charaktereigenschaften primär bei den Eltern bzw. Erziehungsverantwortlichen liegt. Anders gesagt: Ein in guten familiären Verhältnissen aufgewachsenes Kind wird sich kaum mit gewalthaltigen Medien Tötungshandlungen antrainieren, während hinlänglich bekannt ist, dass auch in Generationen vor dem IT- und Videozeitalter Kinder und Jugendliche aus zerrütteten familiären Verhältnissen vermehrt zu Gewalttaten neigten, was diametral zu Roland Näfs Behauptung steht, wonach die Tat von Muotathal sinngemäss niemals stattgefunden hätte, wenn es keine Actiongames und Horrorfilme gäbe:

Ohne Vorbilder in Killergames und Gewaltvideos wäre es wahrscheinlich beim Tötungswunsch geblieben, trotz der "akuten angespannten Familiensituation".

VGMG

Altägyptische "Killerspieler"

Definitiv jegliche Glaubwürdigkeit verspielt der Autor jedoch mit der Behauptung, die Übernahmen "Re" und "Anubis", welche sich die in die Tat involvierten Personen gemäss Anklageschrift gegeben hatten, würden der Spieleszene entstammen:

Ein weiterer Hinweis für den Einfluss der Symbolik und der Werthaltungen in Computerspielen und Filmen ist die Tatsache, dass die Angeklagten bei der Planung des Mords Übernamen verwendeten, welche der Game-Welt entliehen sind (...)

VGMG

Jeder Oberstufenschüler weiss, dass es sich bei "Anubis" und "Re" um Gottheiten der ägyptischen Mythologie handelt, welche sich damals bei der Namensgebung kaum von Computerspielen des 21. Jahrhunderts haben inspirieren lassen.

Dass die Argumentationsweise des VGMG immer mehr ausartet, kann ein Indiz dafür sein, dass die echten Argumente allmählich ausgehen bzw. widerlegt worden sind. Der Vorwurf an die Schwyzer Staatsanwaltschaft, dass diese es versäumt habe, die Details des Tötungsdeliktes mit den Handlungen zu vergleichen, welche der Angeklagte stundenlang am Bildschirm geübt haben soll, sowie die abschliessende Frage, ob nicht auch Produzenten und Verkäufer von Gewaltdarstellungen auf die Anklagebank gehört hätten, widerspiegelt  eine wiederholte Forderung des VGMG, welche jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrt und deshalb höchstens rhetorisch interpretiert werden kann. Aus der gleichen Überlegung müsste man nach einem Raserunfall den Automobilhersteller sowie den Autoverkäufer auf die Anklagebank zerren.

Die Rhetorik des VGMG erhärtet den Verdacht, dass es letztendlich gar nicht um Jugendschutz geht, denn sonst hätte sich dieser kaum auf die schlichte Feststellung im Fazit beschränkt, wonach der Vater des Täters seinen Erziehungspflichten nicht nachgekommen sei, sondern er hätte die problematische familiäre Situation minutiös analysiert. Vielmehr will der VGMG auf Grund persönlicher Präferenzen und Moralvorstellungen ein junges Medium zensieren, zu welchem die Exponenten des Vereins offenbar keinen Zugang finden und es deswegen für entbehrlich halten.

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