Fall «Wolfenstein: TNO»: «Händler entscheidet selbst, was er verkauft»

Wie steht «Wolfenstein»-Hersteller Bethesda zum Geo-Lock-Debakel?

Am 20. Mai diesen Jahres wurde die neuste Iteration der «Wolfenstein»-Franchise, «The New Order», von Bethesda/ZeniMax veröffentlicht. Wie zu erwarten war, erfuhr die deutsche Version aufgrund gesetzlich bedenklicher Inhalte, welche in Vergangenheit als Verstösse gegen §86 des deutschen Strafgesetzbuches ausgelegt worden waren, einige Einschnitte. Davon sind üblicherweise auch Schweizer Gamer betroffen, wenn sie die eingedeutschte Variante spielen wollen - generell wird nur eine deutsche Version hergestellt, welche im gesamten deutschsprachigen europäischen Raum verkauft wird. Traditionell können Schweizer Gamer, falls sie die sprachliche und inhaltliche Authentizität eines Spiels geniessen wollen, US- oder UK-Versionen eines Spiels auch bei lokalen Händlern und bislang praktisch immer auch auf Valve's Online-Distributionskanal «Steam» kaufen, denn für uns gelten die deutschen rechtlichen Bedingungen ja nicht. Beim mit viel Vorfreude erwarteten «Wolfenstein: The New Order» jedoch wurde dies geändert: Auch in der Schweiz kann man nur die deutsche geschnittene Variante über Steam erstehen, einige Gamer berichteten sogar davon, dass ihre physisch beim Händler gekaufte US-PC-Version nicht aktiviert und somit nicht gespielt werden konnte. Für die meisten Spieler hat sich dies mittlerweile scheinbar geändert.

Wir sprachen mit Hersteller Bethesda, um herauszufinden, warum das so ist, wie die Spieleschmiede zu dieser Situation steht und was sie für ein korrektes Angebot der US-Variante im Schweizer Steam-Store zu tun gedenkt.

Bereits bevor wir Bethesda unsere eigentlichen Fragen stellen konnten, wurde uns versichert, dass man die Situation nicht auf die leichte Schulter nehme:

Wir nehmen die Bedenken und den Ärger der Schweizer Kunden ernst und versichern, so rasch wie möglich eine Erklärung zu liefern.
Bethesda-Vertreter im Telefongespräch

Die Schweizer Spieler argumentieren damit, dass nicht einfach nur ein paar Hakenkreuze entfernt wurden: Mit der Zensur wird der Spielspass durch die Verwässerung des pseudohistorischen Anspruchs der Reihe eingeschränkt. Ein Steam-Forenuser gab dort an, eine Antwort des Bethesda-Customer-Service erhalten zu haben, welche Verständnis für diese Ansicht zeigen soll. Man anerkennt offenbar auch beim Hersteller, dass die Einschränkung kein «Jammern auf hohem Niveau» ist - im vorliegenden Fall ging es um die der Schweiz ähnlichen Situation in Österreich.

Im direkten Gespräch mit Bethesda wiesen wir darauf hin, dass die Situation in der Schweiz so nicht akzeptiert und umgehende Intervention von der diesbezüglich verantwortlichen Stelle gefordert wird:

Auf Steam ist für die Spieler aus der Schweiz keine Version von «WS:TNO» ungeschnitten verfügbar; der Geo-Lock scheint sich auf den gesamten DACH-Bereich auszuweiten. Für Ihre Schweizer Kunden ist dies inakzeptabel. Unsere Rechtsprechung verbietet die Darstellung von Hakenkreuzen und sonstigen Schriften und Bildern, welche das nationalsozialistische Regime des zweiten Weltkriegs darstellen, nicht. Es wird von den hiesigen Spielern von unnötiger Diskriminierung gesprochen und angeführt, dass die geänderten Inhalte das Flair und die Atmosphäre des Spiels empfindlich stören und so das Interesse an Ihrem Produkt stark mindern. Die Spieler fühlen sich «von aussen bevormundet», in einigen Foren von Game-Shops und -Communities in der Schweiz wird von verärgerten Gamern sogar von einem Boykott des Spiels gesprochen, und es wird argumentiert, dass uns auf allen Vertriebskanälen die selben Inhalte zustehen, wie sie die anderen europäischen Länder erhalten. [...] Warum hat sich Bethesda/ZeniMax grundsätzlich zu so einem Schritt [die Zensur, Anm. d. Aut.] entschieden?
GameRights, E-Mail an Bethesda Softworks Deutschland, Hervorhebungen durch den Autor

Bethesda eröffnete die Antwort mit dem Kommentar «Glauben Sie denn wirklich, dass wir uns die immense Mühe gemacht hätten, wenn es dafür keine handfesten Gründe geben würde?» und erklärte dann, dass aus produktionstechnischen Gründen nur ein deutsches Master, also nur eine einzige deutschsprachige Version, gemacht wurde. Somit gibt es keine Variante mit deutschen Dialogen und den Originaltexturen und eine ebensolche mit zensierten Inhalten. Das ist verständlich und stellte sich in den Jahren seit dem Eingriff deutscher Rechtsprechung auf Videospiele nicht anders dar.

Im Internet liessen verschiedene Stimmen verlauten, dass Bethesda auch nach deutschem Recht unter Umständen nicht mal hätte zensieren müssen, da NS-Symbolik in künstlerischer Darstellung und besonders dann, wenn sie nicht glorifiziert wird, an sich erlaubt ist. Dem widersprach Bethesda und präzisierte die Situation in unserem nördlichen Nachbarland:

Leider hält sich scheinbar hartnäckig das Gerücht, dass es sich hier um freiwillige Selbstzensur handelt. Dem ist nicht so: Stand heute ist es eine Straftat, Videospiele in Deutschland mit „Nazi-Symbolen“ u.ä. anzubieten, mit all den Konsequenzen die damit verbunden sind. Die Rechtsprechung sah das Thema bisher immer sehr kritisch, weil sie Computerspiele dem Bereich von Spielzeug statt von Medienkunst zugeordnet hat. Das Ganze ist also alles andere als ein simples Kavaliersdelikt.

[...]

Bei der sehr leidenschaftlich geführten „Zensurdiskussion“ werden leider sehr oft Jugendschutz, Strafrecht und der vermeintliche „Kleinmut“ der Publisher durcheinandergeworfen. Aus unserer Sicht stellt sich das Thema allerdings recht eindeutig dar. Deshalb sahen wir uns gezwungen, auf dringendes Anraten von ausgewiesenen Experten hin, die angesprochenen Beschränkungen für den deutschen und österreichischen Markt zu implementieren. [...] Diese Entscheidung fiel uns alles andere als leicht. Wie so oft im Leben sind zudem nicht alle Vorgaben 100 % eindeutig. Im Falle möglicher Straftatbestände können wir es uns als verantwortlich handelndes Unternehmen aber freilich nicht erlauben zu experimentieren.
Bethesda Softworks, Hervorhebungen durch den Autor

Der Hersteller wollte also auf Nummer sicher gehen und bestimmt keine rechtlichen Konsequenzen riskieren. Das ist soweit verständlich, jedoch erklärt es aber noch nicht den persistenten Geo-Lock in der Schweiz und sollte für die hiesige Gamerschaft, gerade nachdem einige Rückfragen und Kritik laut wurden, geändert werden können. Wir fragten, ob Bethesda plant, in absehbarer Zeit zu erwirken, dass das Spiel auch in der Schweiz über Steam unzensiert und in der Originalsprache freizuschalten. Daraufhin bemerkte der Hersteller:

[...] Sollten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Zukunft ändern, ist es eventuell möglich, dass wir bspw. auch eine englische Fassung direkt anbieten werden können.
Bethesda Softworks, Hervorhebungen durch den Autor

Nach dieser Konversation war es uns immer noch nicht klar, warum die deutsche Rechtsprechung auf die Schweiz einen derartigen Einfluss nehmen sollte. Es wäre theoretisch nicht mehr nötig als die Freischaltung der US-Version im Schweizer Steam-Store, welcher diese geographische Unterscheidung im heutigen technischen Stand absolut problemlos bewerkstelligen können sollte. Somit schrieben wir:

Jedoch sollten die Schweizer Gamer auf allen Kanälen problemlos an alle Versionen des Spiels kommen, gerade wegen der unterschiedlichen Rechtslage hierzulande – es sind somit, was die US-Version in der Schweiz angeht, gar keine „Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen“, wie Sie es nennen, nötig – die Einflussnahme auf Valve und Steam scheint somit zu reichen.

Stehen Sie diesbezüglich mit Steam/Valve im Gespräch? Was unternehmen Sie, um diese Verteilung zu beeinflussen und die rechtliche Situation hinsichtlich Steam-Kauf aller deutschsprachigen Länder einzeln und somit genügend zu würdigen?
GameRights, E-Mail an Bethesda Softworks Deutschland, Hervorhebungen durch den Autor

Bethesda gab hier an, dass die Verantwortlichkeit über die einzelnen Inhalte bei Steam/Valve liegt und nicht beim Hersteller.

Wir bemühen uns darum, dass Steam selbst auch alle Fassungen in der Schweiz anbietet – aber jeder Händler entscheidet selbst, was er verkauft. [...] Steam ist in erster Linie eine digitale Distributionsplattform der Fa. Valve – was auf Steam wo, wie, wann, warum und zu welchem Preis angeboten wird, liegt ausschließlich in Valves Verantwortungsbereich.
Bethesda Softworks, Hervorhebungen durch den Autor

Wie diese Bemühungen im vorliegenden Fall genau aussehen und was Bethesda in Zukunft in solchen Situationen selbst unternehmen möchte, wurde nicht genauer kommentiert.

Zuletzt gingen wir auf den Punkt ein, dass bis gestern einzelne Schweizer Spieler nicht mal ihre physisch gekauften US-PC-Versionen aktivieren konnten, obwohl Bethesda diese Möglichkeit eigentlich bestätigte und auch empfahl. Daraufhin räumte Bethesda ein:

Tatsächlich gab es wohl in den ersten Stunden Probleme mit den Steam-Aktivierungen u.a. in der Schweiz – uns wurde aber bestätigt, dass das mittlerweile nicht länger der Fall sein soll. Auch wenn dies außerhalb unserer Kontrolle liegt, möchten wir uns unbedingt bei allen Schweizer Gamern für die sehr unglückliche Verzögerung entschuldigen. [...] Alle erhältlichen Fassungen von Wolfenstein: The New Order lassen sich in der Schweiz via Steam-DRM aktivieren – sowohl die im eidgenössischen Einzelhandel angebotenen Box-Versionen als auch die bei diversen Online-Plattformen erhältlichen Steam-Lizenz-Keys.
Bethesda Softworks, Hervorhebungen durch den Autor

Somit bleibt zu hoffen, dass auf Steam möglichst bald eine vollkommen ungeschnittene PC-Version für Schweizer Spieler bereit gestellt wird, wie dies auch üblicherweise der Fall ist. Solltet Ihr nach wie vor Probleme dabei haben, Eure US-PC-Versionen aus der Schweiz zu aktivieren, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Valve war, bis auf das Zitat vom Customer Care, nicht für eine Stellungnahme erreichbar und hat sich auch sonst nicht mehr zur Thematik geäussert.

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