Computerspiele als Kultur- und Wirtschaftsfaktor

Game, made in SwitzerlandWährend in der Schweiz zurzeit darüber debattiert wird, wie man der weltweiten Spieleindustrie am besten vorschreiben kann, was diese produzieren darf und was nicht, haben andere Länder den wirtschaftlichen, aber auch kulturellen Wert von Computerspielen längst anerkannt.

So wurde vergangene Woche bekannt, dass die kanadische Spieleschmiede Silicon Knights (Too Human) einen Staatsbeitrag über knapp 4 Mio. kanadische Dollar erhält. Der Beitrag, welcher von der lokalen Politik als Wirtschaftsförderung der Niagara-Region betrachtet wird, soll in die Entwicklung eines neuen Multiplattform-Titels investiert werden und schafft unmittelbar 65 neue Arbeitsplätze.

Selbst in Deutschland, wo - wie in der Schweiz - gewisse Politiker in Zensur und Verbot gewisser Computerspiele die Lösung aller (Gewalt)Probleme zu sehen glauben, werden Spieleentwickler unterstützt. Gemäss Medienberichten hat ausgerechnet der konservative Freistaat Bayern im Rahmen des FilmFernsehFonds Bayern fünf Entwicklern Beiträge zwischen EUR 20'000 und EUR 78'000 zugesprochen. Diese Beiträge haben von der Höhe her zwar eher Symbolcharakter, setzen aber dennoch ein deutliches Zeichen.

Doch wie sieht es in der Schweiz aus? Auch hierzulande ist ein Silberstreifen am Horizont auszumachen. Die Privatwirtschaft hat das riesige Potenzial von Computerspielen erkannt. Auch werden immer mehr Ausbildungslehrgänge in diesem Bereich angeboten. Die renommierte Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) forscht intensiv in verschiedenen mit Computergames eng verwandten Disziplinen wie zum Beispiel Artificial Intelligence oder 3D-Modelling. Seit 2008 besteht sogar eine Kooperation mit dem Disney-Konzern.

Eine Umfrage der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) im Auftrag der Stiftung ProHelvetia hat 2009 Interessantes zu Tage geführt. So hätten sich die Bedingungen für Schweizer Spieleentwickler in den letzten fünf Jahren deutlich verbessert:

"Dazu beigetragen hat das gute Klima für Innovation und Start-ups sowie die Öffnung des Spielemarktes für kleinere Produktionen, welche mit weniger Aufwand produziert werden können."

ProHelvetia; http://www.prohelvetia.ch/Swiss-Game-Design.348.0.html?&L=0

Allerdings dürfte diese Entwicklung kaum ein Verdienst hiesiger Politiker sein. Vielmehr ist sie auf eine globale Entwicklung zurückzuführen. Entwicklertools wie Microsofts XNA und Vertriebskanäle wie der App-Store von Apple, Sonys Playstation Network oder Microsofts Xbox Live bieten auch für kleinere Entwickler interessante Möglichkeiten. Praktisch auf Knopfdruck kann eine neue Entwicklung Millionen von potenziellen Käufern zur Verfügung gestellt werden.

Der Markt hat also auch in der Schweiz eine vielversprechende Dynamik entwickelt, wenn auch erst auf bescheidenem Niveau. Dies, trotz dam alles andere als gamefreundlichen Klima auf der politischen Ebene. Während gewisse Politiker nicht müde werden, mit gezielten Diffamierungen Computerspiele(r) in die Schmuddelecke zu drücken, echauffieren sich andere darüber, dass sich ausgerechnet Kulturinstitutionen eine positive, zum Teil auch provokative Diskussion zum Thema leisten.

ProHelvetia hat in Anerkennung der Games als "Bestandteil der Alltagskultur" letztes Jahr das Projekt "GameCulture" ins Leben gerufen und will sich mit einem Budget von CHF 1,5 Mio. während zwei Jahren mit dem kulturellen Wert von Computerspielen vertieft befassen. Gemäss Tagesanzeiger (TA) vom 13.04.2010 soll im Herbst in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Kultur eine Ausschreibung lanciert werden, die sich an Schweizer Spieleentwickler wendet. Sind die von einer Fachjury gestellten Anforderungen erfüllt, wird die Realisierung des Projekts mit einem monetären Beitrag unterstützt. Sylvain Gredel von ProHelvetia betont gegenüber TA, dass man dabei nicht auf "abgehobenes Künstlertum" aus sei:

"'Wir wollen Spiele, die am Markt bestehen können.' Er versteht sein Projekt daher auch als Beitrag zur Förderung eines zukunftsträchtigen Wirtschaftszweigs."

Tages Anzeiger: "Pro Helvetia fördert Computerspiele mit 1,5 Millionen Franken". Sylvain Gredel, 13.04.2010

Wenn staatliche Fördergelder fliessen, weckt dies natürlich sofort Begehrlichkeiten. SVP-Nationalrat Oskar Freysinger kanzelt in besagtem TA-Artikel die Spieleentwickler pauschal als Protagonisten der "Verdummungsindustrie" ab. Vermeintlich differenzierter urteilt der Berner SP-Grossrat Roland Näf. Er findet es "super", möchte aber ProHelvetia gerne vorschreiben, welche Spiele unterstützenswert sind:

"Der Spieler müsste aber bestraft werden, wenn er auf eine Weise Gewalt ausübt, die in der Realität einem Verstoss gegen die Menschenrechte gleichkäme."

Tages Anzeiger: "Pro Helvetia fördert Computerspiele mit 1,5 Millionen Franken". Roland Näf, 13.04.2010

Hinter dieser Haltung steckt Kalkül. Wenn Kultur- und Wirtschaftsförderer auch Spieleentwicklungen unterstützen, welche des Inhalts wegen nur für erwachsene Spieler geeignet sind (Gewalt, Sexualität), werden die ohnehin schwachen Argumente der Zensurfantasten im Diskurs um die Umsetzung der Motion Allemann zusätzlich ausgedünnt.

Computerspiele sind längst Bestandteil unserer Alltagskultur geworden und sind mit Musik, Theater, Film und Literatur ebenbürtig. Wirtschaftlich haben sie mittlerweile sogar mehr Gewicht als die Filmindustrie. Bleibt zu hoffen, dass die Politik ihren Rückstand zur Realität rechtzeitig wett macht, damit wir in 30 Jahren über die heutige Diskussion genauso schmunzeln können wie über angebliche Satansbotschaften auf Heavy Metal-Scheiben.

 

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